JÄGER Busi­ness Blog

Wie wirkt sich das Lie­fer­ket­ten­ge­setz auf die Kau­tschuk­in­dus­trie aus?

07.07.2022   | Ralf Aumann

WHITEPAPER

Gum­mi und Kunst­stoff in der moder­nen Landtechnik 

Erfah­ren Sie, wie die Land­tech­nik die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen meis­ten kann

Am 11. Juni 2021 ver­ab­schie­de­te der Deut­sche Bun­des­tag das Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz (LkSG; umgangs­sprach­lich Lie­fer­ket­ten­ge­setz). Es regelt die Ver­ant­wort­lich­kei­ten von Unter­neh­men für Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Umwelt­schä­den ent­lang ihrer Sup­p­ly Chain. Das Gesetz wird am 1. Janu­ar 2023 in Kraft tre­ten, gefolgt von einer Ver­schär­fung der Anfor­de­run­gen am 1. Janu­ar 2024.

Entscheider:innen in zahl­rei­chen Bran­chen ent­wi­ckeln zur­zeit Stra­te­gien, um die Vor­ga­ben des LkSG mög­lichst effi­zi­ent zu erfül­len und gleich­zei­tig die Aus­wir­kun­gen auf ihr wirt­schaft­li­ches Han­deln zu mini­mie­ren. Dies betrifft auch die Kautschukindustrie.

Für wel­che Unter­neh­men gilt das Lieferkettengesetz?

Das LkSG gilt für alle Unter­neh­men, die ihren Haupt­sitz in Deutsch­land haben und dort min­des­tens 3.000 Mitarbeiter:innen beschäf­ti­gen. Ab dem 1. Janu­ar 2024 sinkt die­ser Schwel­len­wert auf 1.000 Mitarbeiter:innen. Damit gilt das Gesetz auf den ers­ten Blick nur für Groß­un­ter­neh­men, denn klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men errei­chen meist nicht die Min­dest­an­zahl an Beschäf­tig­ten. An die­ser Stel­le gibt es aller­dings zwei Fak­to­ren zu beachten.

Die euro­päi­sche Initia­ti­ve soll für alle Unter­neh­men gel­ten, die den über­wie­gen­den Teil ihres Umsat­zes in der EU ver­die­nen und min­des­tens 500 Mitarbeiter:innen beschäf­ti­gen. In Bran­chen mit einem hohen Risi­ko für Schä­den an Mensch und Umwelt (z. B. der Berg­bau oder die Tex­til­in­dus­trie) sinkt die­se Schwel­le auf 250 Mitarbeiter:innen. Sobald das Gesetz ver­ab­schie­det wird, fal­len somit Unter­neh­men in sei­nen Gel­tungs­be­reich, die nach deut­schem Recht bis dahin aus­ge­nom­men waren.

Pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men, die Gum­mi- und Kunst­stoff­kom­po­nen­ten extern bezie­hen, soll­ten also damit rech­nen, direkt oder indi­rekt mit dem Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz in Berüh­rung zu kommen.

Men­schen­rech­te bil­den die Grund­la­ge des Lieferkettengesetzes

Wel­che Kon­se­quen­zen hat das LkSG für die Kautschukindustrie?

Laut Lie­fer­ket­ten­ge­setz müs­sen Unter­neh­men ange­mes­se­ne Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men gegen­über ihren unmit­tel­ba­ren Lie­fe­ran­ten ver­an­kern. Dazu gehö­ren ver­trag­li­che For­de­run­gen für die Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten sowie Bera­tung, Schu­lung und Moni­to­ring. Auf Rechts­ver­let­zun­gen mit­tel­ba­rer Zulie­fe­rer ent­lang ihrer Lie­fer­ket­te müs­sen sie hin­ge­gen nur reagie­ren, wenn ein kon­kre­ter Ver­dacht vorliegt.

Unmit­tel­ba­re Zulie­fe­rer von gum­mi­ver­ar­bei­ten­den Unter­neh­men sind in ers­ter Linie Roh­stoff­händ­ler, von denen sie Roh­kau­tschuk sowie Zusatz­stof­fe wie Schwe­fel bezie­hen. In der Regel kau­fen klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men nicht direkt bei den Pro­du­zen­ten in Süd­ost­asi­en ein, son­dern bei Roh­stoff­bör­sen, die Zwi­schen­händ­ler aggregieren.

Aus tech­ni­schen Grün­den ist die Nach­ver­fol­gung der Waren bis zum Kau­tschuk­ab­bau mit hohem Auf­wand ver­bun­den. Daher ist die­ser Teil der Kau­tschuk-Sup­p­ly-Chain aktu­ell noch von den Vor­ga­ben des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes aus­ge­nom­men. Dies wird sich jedoch in abseh­ba­rer Zeit ändern. Sobald die Tech­nik auf­ge­holt hat und eine effi­zi­en­te Rück­ver­fol­gung der Roh­stof­fe mög­lich ist, wer­den sich gum­mi­ver­ar­bei­ten­de Unter­neh­men mit den Arbeits­be­din­gun­gen auf Kau­tschuk­plan­ta­gen aus­ein­an­der­set­zen müssen.

Risi­ko­fak­to­ren im Kau­tschuk­an­bau sind vor allem Zwangs- und Kin­der­ar­beit sowie Umwelt­schä­den durch Raub­bau, Boden­ero­si­on, Brand­ro­dung von Urwäl­dern oder sorg­lo­se Anwen­dung von Pes­ti­zi­den. Größ­ten­teils äch­ten euro­päi­sche Gum­mi­pro­du­zen­ten sol­che Prak­ti­ken bereits. Da das Lie­fer­ket­ten­ge­setz jedoch eine Unter­neh­mens­ver­ant­wor­tung für ethisch frag­wür­di­ge Geschäfts­prak­ti­ken ent­lang der Sup­p­ly Chain vor­sieht, wird es nötig, die­se Risi­ken struk­tu­rell zu erfas­sen und regel­mä­ßig zu überprüfen.

Hinweis 

Kau­tschuk ist nicht der ein­zi­ge Bestand­teil eines Elas­to­mers. Abhän­gig von den gewünsch­ten Eigen­schaf­ten des Pro­dukts kom­men unter ande­rem noch Füll­stof­fe, Weich­ma­cher und Ver­ar­bei­tungs­hilfs­mit­tel hin­zu. Auch die För­de­rung und den Han­del mit die­sen Mate­ria­li­en müs­sen Gum­mi­pro­du­zen­ten und ihre Kun­den im Rah­men ihres Lie­fer­ket­ten-Moni­to­rings im Auge behalten. 

Wel­che Maß­nah­men trifft die Bran­che, um ihre Lie­fer­ket­ten umzubauen?

Das LkSG schreibt eine Rei­he von Maß­nah­men vor, um ethisch frag­wür­di­ge Geschäfts­prak­ti­ken ent­lang der Lie­fer­ket­te zu ver­hin­dern. Dazu gehö­ren im Wesent­li­chen die Abga­be einer Grund­satz­er­klä­rung, inter­ne Risi­ko­ana­ly­sen, ein sys­te­ma­ti­sches Risi­ko­ma­nage­ment, die Ein­rich­tung eines Beschwer­de­ver­fah­rens sowie die Doku­men­ta­ti­on und Bericht­erstat­tung gegen­über Drittstellen.

Prä­ven­ti­ons- und Doku­men­ta­ti­ons­maß­nah­men auf inter­ner Ebe­ne umzu­set­zen, ist für die meis­ten gro­ßen und mit­tel­stän­di­schen Gum­mi­pro­du­zen­ten sowie ihre Kun­den ohne Wei­te­res lös­bar. Auch das Moni­to­ring von unmit­tel­ba­ren Lie­fe­ran­ten kön­nen sie mit über­schau­ba­rem Auf­wand bewäl­ti­gen, ins­be­son­de­re wenn die­se in der EU ansäs­sig sind und sich somit im glei­chen gesetz­li­chen Rah­men bewegen.

Die eigent­li­che Her­aus­for­de­rung ist das Moni­to­ring von mit­tel­ba­ren Zulie­fe­rern, also Tier 2 und höher. Die wich­tigs­ten Anbau­ge­bie­te für Kau­tschuk befin­den sich in Thai­land, Indo­ne­si­en und Viet­nam. Meist erfolgt die Ern­te in Hand­ar­beit durch Kleinbauer:innen, die ihre Ware an loka­le Zwi­schen­händ­ler ver­kau­fen. Die­se Struk­tu­ren hin­dern euro­päi­sche Unter­neh­men dar­an, unmit­tel­ba­ren Ein­fluss auf den Kau­tschuk­ab­bau zu neh­men. Es gibt kei­ne zen­tra­len Akteu­re, mit denen sie inter­agie­ren könn­ten. Kon­takt mit einer Viel­zahl von Kleinbauer:innen über so eine gro­ße Ent­fer­nung zu hal­ten, ist schlicht­weg nicht praktikabel.

Unter sol­chen Bedin­gun­gen ist eine Über­wa­chung der gesam­ten Lie­fer­ket­te für klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Gum­mi­pro­du­zen­ten kaum mög­lich. Denk­bar ist statt­des­sen, dass inter­na­tio­na­le Bran­chen­ver­bän­de Lie­fe­ran­ten vor Ort über­prü­fen und Zer­ti­fi­ka­te aus­stel­len, auf die sich Unter­neh­men beru­fen kön­nen. Auf die­se Wei­se könn­ten euro­päi­sche Pro­du­zen­ten einen Teil ihrer Auf­sichts­pflich­ten out­sour­cen und damit ihren Auf­wand redu­zie­ren. Inwie­weit die­ser Ansatz den Anfor­de­run­gen des LkSG genügt, bleibt abzuwarten.

Fazit

Sowohl das deut­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz als auch der Ent­wurf der EU stel­len die Logis­tik gum­mi­ver­ar­bei­ten­der Pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men vor Her­aus­for­de­run­gen. Zum einen erhöht die Aus­kunfts­pflicht gegen­über Behör­den und Kun­den den Ver­wal­tungs­auf­wand. Zum ande­ren ist das Moni­to­ring mit­tel­ba­rer Lie­fe­ran­ten in Süd­ost­asi­en für klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Orga­ni­sa­tio­nen momen­tan nur schwer zu bewerkstelligen.

Die­se Pro­ble­me sind aller­dings lös­bar. Neue Tech­no­lo­gien und Koope­ra­tio­nen mit Inter­es­sens­ver­bän­den wer­den mit der Zeit dafür sor­gen, dass euro­päi­sche Unter­neh­men bes­ser mit inter­na­tio­na­len Geschäfts­part­nern inter­agie­ren und ihren Sorg­falts­pflich­ten leich­ter nach­kom­men kön­nen. Die Kau­tschuk­bran­che ist daher gut vor­be­rei­tet, um ihre Ver­ant­wor­tung wahr­zu­neh­men und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen sowie Umwelt­zer­stö­rung auf der gan­zen Welt zu bekämpfen.

White­pa­per:
Gum­mi und Kunst­stoff in der moder­nen Landtechnik

Erfah­ren Sie, wie die Land­tech­nik die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen meis­ten kann

Ralf Aumann

Autor: Ralf Aumann

Ralf Aumann lei­tet bei Jäger den Bereich Sup­p­ly Chain Manage­ment. Der stu­dier­te Pro­duk­ti­ons­tech­ni­ker und Maschi­nen­bau­er trat dem Unter­neh­men 2010 nach meh­re­ren Sta­tio­nen in der Auto­mo­bil­in­dus­trie bei. 

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